Autoritäre Erziehung: Ein Nährboden für Extremismus?

Ein autoritärer Erziehungsstil kann das Risiko erhöhen, dass Menschen sich extremistischen Ideologien zuwenden. Strenge Disziplin, wenig emotionale Wärme und hohe Erwartungen fördern ein Schwarz-Weiß-Denken und ein Bedürfnis nach klaren Strukturen, die extremistische Gruppen bieten. Doch was genau führt von autoritärer Erziehung zu Radikalisierung?

Ein autoritärer Erziehungsstil, geprägt durch strenge Disziplin, hohe Erwartungen und wenig emotionale Wärme, kann das Risiko erhöhen, dass sich Menschen extremistischen Ideologien zuwenden. Studien und Beobachtungen zeigen, dass die Erziehungsmethoden, die auf Gehorsam und rigiden Regeln basieren, mehrere Mechanismen auslösen, die die Anfälligkeit für Extremismus verstärken können.

Mangel an emotionaler Bindung

Kinder, die unter autoritären Bedingungen aufwachsen, entwickeln oft ein geringes Selbstwertgefühl. Der Mangel an emotionaler Wärme und die ständige Kritik können dazu führen, dass sie später nach Zugehörigkeit und Akzeptanz außerhalb der familiären Strukturen suchen. Extremistische Gruppen bieten oft genau diese Gemeinschaft und Bestätigung, die ihnen in ihrer Kindheit gefehlt hat.

Rebellion gegen Autorität

Autoritäre Erziehung kann eine starke Ablehnung von Autorität und etablierten Strukturen hervorrufen. Jugendliche und junge Erwachsene, die solche Erziehung erfahren haben, könnten sich radikalen Gruppen anschließen, die gegen das bestehende System kämpfen, um ihren Frust und ihre Ablehnung zu kanalisieren.

Schwarz-Weiß-Denken

Ein autoritärer Erziehungsstil fördert ein binäres Denken in Kategorien von „richtig“ und „falsch“, ohne Raum für Grautöne und Nuancen. Extremistische Ideologien bieten einfache, klare Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen, was sie für Menschen, die in einem autoritären Umfeld aufgewachsen sind, besonders attraktiv macht.

Suche nach Struktur und Klarheit

Menschen, die in einem autoritären Umfeld aufwachsen, sehnen sich oft nach klaren Strukturen und festen Regeln, die ihnen extremistische Gruppen bieten. Diese Gruppen versprechen einfache Lösungen und klare Richtlinien, was ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle gibt.

Erfahrungen von Ungerechtigkeit

Kinder, die in einer autoritären Umgebung aufwachsen, erleben häufig Gefühle von Ungerechtigkeit und Unzufriedenheit. Extremistische Gruppen bieten ihnen eine Plattform, um diese negativen Gefühle zu kanalisieren und zu adressieren. Sie geben ihnen das Gefühl, gegen die Ungerechtigkeiten in ihrem Leben und in der Gesellschaft insgesamt zu kämpfen.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der autoritär erzogen wurde, zwangsläufig extremistischen Ideologien anhängt. Viele Faktoren spielen eine Rolle, darunter persönliche Erfahrungen, das soziale Umfeld und individuelle psychologische Merkmale. Allerdings erhöht ein autoritärer Erziehungsstil die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand anfällig für solche Ideologien zeigt, insbesondere wenn er mit anderen Risikofaktoren kombiniert wird.

Fazit

Die Zusammenhänge zwischen autoritärer Erziehung und der Neigung zu Extremismus verdeutlichen die Notwendigkeit, Erziehungsstile zu überdenken und eine Balance zwischen Disziplin und emotionaler Unterstützung zu finden. Nur so können wir dazu beitragen, die Anfälligkeit für radikale Ideologien zu verringern.

Quellen / Weiterführende Informationen

Um den Zusammenhang zwischen autoritärer Erziehung und der Neigung zu extremistischen Ideologien besser zu verstehen, können verschiedene wissenschaftliche Studien, Bücher und Artikel herangezogen werden. Hier sind einige relevante Quellen und weiterführende Informationen:

Wissenschaftliche Studien und Artikel

  1. Adorno, T. W., Frenkel-Brunswik, E., Levinson, D. J., & Sanford, R. N. (1950). „The Authoritarian Personality“:
  2. Altemeyer, B. (1981). „Right-Wing Authoritarianism“:
  3. Dunlop, B. W., & Grégoire, J. (2011). „Authoritarian Parenting and Its Influence on the Development of the Child“:
  4. Staub, E. (1989). „The Roots of Evil: The Origins of Genocide and Other Group Violence“:

Bücher

  1. Miller, A. (1990). „Am Anfang war Erziehung“:
    • Alice Miller beschreibt, wie Erziehungsmethoden, insbesondere autoritäre, die psychische Entwicklung und spätere Verhaltensweisen beeinflussen können. https://www.alice-miller.com/de/
  2. Fromm, E. (1941). „Escape from Freedom“:
    • Erich Fromm untersucht die psychologischen Mechanismen, die Menschen in autoritären Gesellschaften dazu bringen, sich extremistischen Bewegungen anzuschließen.

Artikel und Berichte

  1. Haverkamp, R. (2017). „Authoritarianism and Radicalization: The Role of Parental Authority in the Development of Extremist Attitudes“ (Journal of Adolescence, Vol. 60):
    • Dieser Artikel untersucht die Verbindung zwischen autoritären Erziehungsstilen und der Radikalisierung von Jugendlichen.
  2. Scarcella, A., Page, R., Furtado, V., & Bird, M. (2016). „Terrorism, Radicalization and Extremism: Youth Development and Preventing Extremism“ (European Psychiatry, Vol. 33):
    • Eine Untersuchung der psychologischen und sozialen Faktoren, die zur Radikalisierung von Jugendlichen beitragen, einschließlich Erziehungsstile.

Weitere Ressourcen

  1. Websites von Forschungsinstituten:
  2. Psychologische Fachzeitschriften:
    • Zeitschriften wie „Journal of Child Psychology and Psychiatry“ und „Developmental Psychology“ bieten zahlreiche Artikel zu den Auswirkungen von Erziehungsstilen auf die kindliche Entwicklung und spätere Verhaltensweisen.
    • 3. Herbert Renz-Polster (* 25. Februar 1960 in Stuttgart) ist ein deutscher Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor. Im Buch „Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können“ »Wer den autoritären Populismus verstehen will, muss dorthin schauen, wo aus kleinen Menschen große Menschen werden – auf die Kindheit.« (Herbert Renz-Polster). Hier, sehr lesenswert: „Politik auf dem Wickeltisch
      Die Rolle der Bindung bei der Entstehung autoritärer Gesinnungen“ https://www.kinder-verstehen.de/mein-werk/blog/politik-auf-dem-wickeltisch/
    • 4. Sven Fuchs | Autor („Die Kindheit ist politisch!“) | Blogger |
      Fokus auf Kinderschutz + die tieferen Ursachen von Gewalt, Krieg, Terror und Extremismus. „Das Buch des Psychohistorikers Sven Fuchs („Die Kindheit ist politisch!“) ist zugleich ein schreckliches und ein großartiges Buch, eine Pflichtlektüre für alle, die sich für mehr Verantwortung in den sozialen Beziehungen, der Politik und im Umgang mit Kindern einsetzen möchten. Es bietet einen faktenreichen Überblick über die Gewalt im Umgang mit Kindern in Vergangenheit und Gegenwart. Gerade, weil die heutige Erziehung weniger gewaltorientiert ist, ist ein solcher vorurteilsfreier Blick auf die Dimension von Gewalt und Missbrauch in den Eltern-Kind-Beziehungen überhaupt möglich. Dass historische und auch noch gegenwärtige Kindheiten ein Albtraum und eine Hölle sein konnten und waren, wird von uns meist noch nicht wirklich realisiert. In diesem Sinne ist das Buch ein Augenöffner und verlangt dem Leser viel Bereitschaft ab, die unfassbare Dimension von Gewalt in den Eltern-Kind-Beziehungen wahrzunehmen.“ (Ludwig Janus, Jahrbuch für psychohistorische Forschung Bd. 19) https://kriegsursachen.blogspot.com

Diese Quellen bieten vertiefte Einblicke in die Zusammenhänge zwischen autoritärer Erziehung und extremistischen Tendenzen. Sie helfen, die komplexen Mechanismen zu verstehen, die zur Radikalisierung führen können, und bieten Ansätze, wie durch veränderte Erziehungspraktiken diesen Tendenzen entgegengewirkt werden kann.

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