Die Unkonventionelle: Das Leben und Werk der Schriftstellerin Fanny zu Reventlow

„Langweilig – diese Wintertage. Ich habe nach Hause geschrieben und ein paar offizielle Besuche gemacht. Man nahm mich überall liebenswürdig auf und stellte die obligaten Fragen, – wo ich wohne, wie ich mir mein Leben einzurichten gedenke und was ich studiere. Der alte Hofrat schien es etwas bedenklich zu finden, daß ich kein bestimmtes Studium ergreifen will und so wenig fixierte Interessen habe, – ich solle mich vorsehen, nicht in schlechte Gesellschaft zu geraten. – Das war sicher sehr wohlgemeint, aber es fällt mir auf die Nerven, wenn die Leute glauben, ich sei nur hier, um mir `die Hörner abzulaufen` und mich nebenbei auf irgendeinen Beruf vorzubereiten.“ Zitat Fanny Gräfin zu Reventlow aus: „Herrn Dames Aufzeichnungen“

Sie heißt Fanny Liane Wilhelmine Sophie Auguste Adrienne Gräfin zu Reventlow, kurz: Fanny zu Reventlow. Sie wurde am 18. März 1871 im Metropölchen Husum, (damals Provinz Preußen, Deutsches Kaiserreich, heute Kreis Nordfriesland) geboren. Fanny war eine faszinierende Persönlichkeit ihrer Zeit und wird oft als eine der ersten feministischen Schriftstellerinnen Deutschlands betrachtet. Sie wurde berühmt als „Skandalgräfin“ oder „Schwabinger Gräfin“ der Münchner Bohème. Doch das geschah später. Nun der Reihe nach:

Kindheit und frühe Jahre in Husum

Fanny zu Reventlow wurde als fünftes von sechs Kindern des preußischen Landrats Ludwig Graf zu Reventlow (1824–1893) und seiner Frau Emilie, geborene Gräfin zu Rantzau (1834–1905), auf Schloss vor Husum geboren.

Ihr Bruder Ernst Reventlow (1869–1943) war Marineoffizier, Schriftsteller, Journalist und politisch für die Nazis aktiv. Die Familie pflegte enge Beziehungen zum Schriftsteller Theodor Storm und zur Familie des Soziologen Ferdinand Tönnies.

In ihrem autobiografischen Roman „Ellen Olestjerne“ (1903) beschrieb Fanny zu Reventlow ihre strenge Erziehung als „höhere Tochter“ und „junges Fräulein“ durch die Familie und das Mädchenpensionat Altenburger Magdalenenstift in Thüringen.

Ihre Mutter, Emilie zu Rantzau, war eine konservative Frau, die sich an die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit hielt. Franziska hingegen war eine unabhängige und eigensinnige junge Frau, die sich nicht den Erwartungen ihrer Eltern beugen wollte.

Die Konflikte mit ihrer Mutter prägten Franziskas Leben nachhaltig. Sie entwickelte eine tiefe Abneigung gegen alles, was sie als einschränkend empfand. In einem Brief an ihre Mutter schrieb sie:

„Ich will und muss einmal frei werden; es liegt nun einmal tief in meiner Natur, dieses maßlose Streben, Sehnen nach Freiheit. Die kleinste Fessel drückt mich unerträglich, unaushaltbar und ich muss gegen alle Fesseln, alle Schranken ankämpfen, anrennen.«“

1892 wird Franziska zur „Besserung“ bei einer Pastorenfamilie auf dem Land, in Adelby bei Flensburg, untergebracht. Die Pastorenfamilie, bei der Franziska zu Reventlow 1892 zur „Besserung“ untergebracht wurde, hieß Hempel. Der Pastor hieß Johannes Hempel und seine Frau Anna Hempel. (1)

In ihrem autobiografischen Roman „Ellen Olestjerne“ (1903) beschreibt Franziska zu Reventlow die Familie Hempel als „eine sehr fromme und strenge Familie„. In einem Brief an ihre Mutter schrieb sie: „Ich lebe hier in einem Pfarrhaus, in dem alles nach der Uhr geht. Ich habe keine einzige Minute Zeit für mich, und wenn ich einmal allein sein will, muss ich mich in den Wald schleichen.

Sie fühlte sich dort sehr unwohl und konnte sich nicht einfügen. Nach einem Jahr floh sie 1892 aus dem Pfarrhaus in Adelby direkt nach Wandsbek zu ihrer Freundin Else Gutschow. Damit brach sie endgültig mit ihren Eltern.

Eine unglückliche Ehe und der Weg nach München in die Bohème

In Wandsbek lernte sie den Hamburger Gerichtsassessor Walter Lübke kennen. Lübke ermöglichte ihr einen Aufenthalt als Studentin an einer Malschule in München. 1894 heirateten die beiden.

Die Ehe war jedoch nicht glücklich. Die beiden hatten unterschiedliche Lebensvorstellungen. 1895 ging Franziska zu Reventlow nach München, um sich von ihrem Mann zu trennen. Die Ehe wurde 1897 geschieden.

In München führte Franziska zu Reventlow ein weitgehend selbstbestimmtes Bohème-Leben (2). Sie verkehrte in Künstlerkreisen und unterhielt zahlreiche Affären. Ihr Leben war jedoch von anhaltender Geldnot, Krankheiten und mehreren Fehlgeburten überschattet.

Schwabing, so sagte sie, sei eher ein Zustand als eine geografische Bezeichnung. Dort wurde sie zur „Skandalgräfin“ und zu einer umschwärmten Frau. Am 1. September 1897 wurde ihr Sohn Rolf († 12. Januar 1981 in München) geboren; den Namen des Vaters verschwieg sie zeitlebens.

Abschied von München und das Lebensende einer unkonventionellen Schriftstellerin

Im Jahr 1910 verließ sie München und zog nach Ascona am Lago Maggiore. Als ihr Sohn Rolf (*1897–1981†), dessen Vaterschaft sie immer geheim hielt, während des Ersten Weltkriegs eingezogen wurde, entschloss sich die besorgte Mutter, ihm bei seiner Flucht über den Bodensee in die Schweiz zu helfen.

Sie betrachtete sich nicht als „Heldenmutter“ und schrieb triumphierend: „Ich hatte dem Kaiser meinen Sohn entzogen.“ Diese Fluchthilfe erregte Aufmerksamkeit in den europäischen Zeitungen. Franziska zu Reventlow suchte nach Freiheit jenseits aller gesellschaftlichen Konventionen.

Sie konnte mit bürgerlicher Ehe wenig anfangen, zumindest nicht für längere Zeit, und betrachtete Monogamie als fehlgeleitet. Ideologien begegnete sie mit Distanz und Ironie. Einige spätere Generationen stilisierten sie zwar zur Ikone der Frauenemanzipation, doch sie selbst war keine Aktivistin für Frauenrechte und keine Feministin. Dennoch unterhielt sie freundschaftliche Beziehungen zu einigen ihrer Vertreterinnen (wie Anita Augspurg und Helene Böhlau).

Die Idee der gleichberechtigten Berufstätigkeit der Frau interessierte sie nicht. Ihrer Meinung nach sollte die Frau sich nicht einfach in die von Männern dominierte Gesellschaft einpassen, sondern ihre Eigenständigkeit bewahren.

1916 zog sie nach Muralto am Lago Maggiore, nur wenige Kilometer von Ascona entfernt. Nur zwei Jahre später, am 26. Juli 1918 verstarb Fanny zu Reventlow im Alter von siebenundvierzig Jahren in einer Klinik in Locarno infolge eines Fahrradunfalls. Die Grabrede wurde vom Schriftsteller Emil Ludwig gehalten. Ihre letzte Ruhestätte liegt auf dem Friedhof der Kirche Santa Maria in Selva in Locarno.

Bedeutung ihres Werkes

Fanny Gräfin zu Reventlow hat keine bedeutenden Gemälde hinterlassen. Ihre kurze Karriere als Theaterschauspielerin kam nicht richtig in Gang, und ihre literarischen Werke erreichten nicht den Status von Bestsellern. Dennoch wurde sie zur Legende aufgrund ihrer Lebensweise, da sie zu den Vorreiterinnen der sexuellen Emanzipation der Frauen gehörte.

Quellen / Weiterführende Informationen

Zum 153. Geburtstag von Franziska zu Reventlows finden in Husum einige Veranstaltungen statt. Rahmenprogramm zur Sonderausstellung

„Frei Leben! Die Frauen der Boheme 1890 – 1920“. Eine Ausstellung der Monacensia in Husum

Samstag, 18. Mai, 14.00 – 17.00 Uhr 

Lesung: „Einsamkeit und dazwischen ein schöner Rausch“ – Gedichte und Texte von und über Franziska Gräfin zu Reventlow. Zum 153. Geburtstag Franziska zu Reventlows: Feierliche Einweihung der Fanny-Büste (Harald Birck) mit anschließender Lesung von Gedichten und Texten von und über Franziska zu Reventlow mit der Husumer Schriftstellerin Therese Chromik und der Frauentheatergruppe 5plus1. Wo? Foyer und Rittersaal, Schloss vor Husum.

 (1): Biografie von Franziska zu Reventlow von Ulrike Helmer, „Franziska zu Reventlow: Die Skandalgräfin“. In Kapitel 3, „Die Flucht“.

(2) „Bohème“ = ungebundenes, ungezwungenes Künstlerdasein; unkonventionelles Künstlermilieu.

Faber, Richard. Franziska zu Reventlow und die Schwabinger Gegenkultur. Köln/Germany: Böhlau, 1993.

Fritz, Helmut. Die erotische Rebellion: Das Leben der Gräfin Franziska zu Reventlow. Frankfurt a. M./Germany: Fischer, 1980.

Hammerstein, Katharina von. “Politisch ihrer selbst zum Trotz: Franziska Gräfin zu Reventlow,” Karin Tebben (ed.). Deutschsprachige Schriftstellerinnen des Fin de Siècle. Darmstadt/Germany: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1999. 290-312.

Kubitschek, Brigitta. Franziska Gräfin zu Reventlow. Leben und Werk. München/Germany: Profil Verlag, 1998. Reventlow, Franziska zu. Ellen Olestjerne. München: Marchlewski, 1903. Neuauflage. Mit einem Nachwort von Gisela Brinker-Gabler. Frankfurt a. M./Germany: Fischer, 1985.

“Wir üben uns jetzt wie Esel schreien…” – F. Gräfin zu Reventlow, Bohdan von Suchocki, Briefwechsel 1903-1909, hg. von Irene Weiser, Detlef Seydel & Jürgen Gutsch. Verlag Karl Stutz. Passau 2004

“Wir sehen uns ins Auge, das Leben und ich” – F. Gräfin zu Reventlow, Tagebücher 1895-1910, aus dem Autograph textkritisch neu herausgegeben und kommentiert von Irene Weiser & Jürgen Gutsch. Verlag Karl Stutz. Passau 2006.

Székely, Johannes. Franziska Gräfin zu Reventlow. Leben und Werk. Mit einer Franziska-Gräfin-zu-Reventlow-Bibliographie. Bonn/Germany: Bouvier, 1979.

FANNY GRÄFIN ZU REVENTLOW (Link)

Die „Skandalgräfin“ Franziska zu Reventlow (Link)

Beitragsbild: Fanny Gräfin zu Reventlow, um 1900